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Laudatio

Zur Ausstellung von Bernadette Maier in der Stadturmgalerie Vilshofen, vorgetragen bei der Vernissage am 14. September 2019 von Heidi Keil

… den Bäumen nach – ein Ausstellungstitel, der viel Freiheit lässt. Den Bäumen nachgehen? Wenn es nach den Bäumen geht? Den Bäumen nachspüren? Den Bäumen nachtrauern – oder „Was kommt nach den Bäumen“?

Die brachialen Abholzungen bei Schweiklberg waren die Initialzündung für den Bilderzyklus, den wir heute hier ausgestellt finden. Eine vertraute Landschaft mit ihren Wegen, Lichtstimmungen und Durchblicken wurde ausradiert.

In einem Schullesebuch ihrer Kindheit beeindruckte Bernadette eine Geschichte, die das Fällen einer riesigen Tanne beschreibt. Am Ende ihres Tagwerks ziehen die Waldarbeiter vor dem gefällten Baum ihren Hut und sprechen ein Gebet. Von ähnlichem Respekt oder gar Demut vor der Natur ist im Kampf gegen den verhassten Käfer nichts zu spüren. Eher fühlt sich der rücksichtslose Einsatz schwerster Maschinen im Wald an wie Krieg. Der Waldboden wird zerstört, gesunde Bäume werden verletzt – es bleiben ein leeres Schlachtfeld und sorgsam aufgeschichtete Stämme.

Auf den Gemälden, die wir hier sehen, ist der Mensch verschwunden. Die Lücken in der Landschaft und die Baumstümpfe zeugen von seinem Da-Gewesen-Sein und freilich auch von seinem zerstörerischen Werk. Doch transportieren die Bilder ein positives Gefühl und einen geheimnisvollen Frieden. Bäume und Landschaft sind absolut vereinfacht und flächig gemalt – ein windstilles Meer. Gleichzeitig erzählt die extreme Farbigkeit von der Kraft der Natur. Die Baumstümpfe tragen die Nährstoffe für die nächste Generation in sich – es wird nach den Bäumen weitergehen. Bernadette sagt über die Malerei: „Ein Bild ist zweckfrei. Doch jedes Bild braucht ein Geheimnis. Das entsteht, wenn sich Widersprüche im Bild vertragen oder lösen.“ Hier sind es der Gegensatz und gleichzeitig die Einheit von „Stirb und Werde“, die den Betrachter berühren.

Bernadette Maier hat Kunst an der Akademie der Künste in Nürnberg studiert und geht als Malerin seit 40 Jahren ihren ganz eigenen künstlerischen Weg, der ihr weit über die Grenzen der niederbayerischen Heimat hinaus Anerkennung einbringt. Ein anderes großes Talent, das eher im Verborgenen blüht, ist ihr feines Gespür für Sprache. Da sind die Sprachspiele in ihren Bildtiteln oder auf der Rückseite ihrer übermalten Postkarten – und da sind ihre kurzen Erzählungen, die – ähnlich wie viele ihrer Bilder – formal sehr schlicht gehalten und trotzdem voller expressiver Farbigkeit sind. Lakonische, einprägsame Momentaufnahmen. Zart und radikal zugleich. In der Erzählung „Heilige Frühkommunion“ sucht ein siebenjähriges Mädchen nach einer Züchtigung durch die Mutter Schutz an einem Baum: „Die Eichbäume haben ein neues Grün. Rückwärts und in Zeitlupe lehne ich mich an den Baum. Er hält. Er hält mich. Er hält mich aus. Bäume sind die weisen Tröster meiner Kindertage.“

Bäume erden. Und sie öffnen den Blick nach oben. Vielleicht auf einer Schaukel am dicken Ast. In die Lüfte schwingen, aus der Gegenwart heraustragen lassen – die Seele einpendeln. Und dazu der Blick in die Baumwipfel: Kopf in den Nacken – schwindelerregend. Von Raum und Zeit enthoben. Eigentlich konnte es gar nicht anders sein: Bernadette hat diesen Blick erstmals parallel zu ihren Karussellbildern gemalt – ein Baumkarussell eben.

Und da ist sie wieder: Bernadettes Sprache. Der Duden kennt kein Baumkarussell – aber viele Betrachter werden sich in diesen Bildern erkennen. Sie rühren an Urerfahrungen, wecken verschüttete Erinnerungen und sprechen ein kollektives Unterbewusstsein an. Sie sind in sich zweckfrei und müssen nicht gedeutet werden. Doch sie spiegeln ihre Betrachter. Deshalb brauchen ihre Menschen häufig keine Gesichter. Und deshalb brauchen diese Landschaften keine Menschen, um Seelenlandschaften zu sein.

 

Regina Kremsreiter