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3.10.2020 Einweihung Carossa Pavillon im Ginko Park

Rede über die Biographie und das künstlerische Schaffen des Schriftstellers Hans Carossa von Dr. Herbert Wurster

Am Samstag, den 3. Oktober 2020, fand im Ginko Park in Vilshofen die feierliche EInweihung des Pavillons des berühmten Schriftstellers Hans Carossa statt.

Der Historiker Dr. Herbert Wurst , Vorstandsvorisitzender des Kultur- und Geschichtsvereins Vilshofen, hielt eine sehr interessante Rede über die Biographie und das künstlerische Schaffen des Schriftstellers Hans Carossa.



Hier im Wortlaut die Rede von Dr. Herbert Wurster:


Sehr geehrte Festgäste,

 

Hans Carossa wird meistens mit Passau identifiziert. Passau ist natürlich wichtig für sein berufliches Wirken und spielt eine große Rolle in seinen Romanen. Aber nur kurze Jahre lebte und wohnte er in Passau; im fortgeschrittenen Alter zieht er im Jahre 1941 in die Gemeinde Heining, wo er am 12.09.1956 verstarb und dort seine Grabstätte im Heininger Friedhof bis heute an ihn erinnert; erst im Jahre 1972 wird Heining ein Teil der Stadt Passau. Vor diesem Umzug war die Heimat des Hans Carossa, von seiner Jugend an, mit einigen, auch längeren Unterbrechungen, Seestetten, ein Dorf in der Landgemeinde Sandbach, die dann im Jahre 1978 von der Stadt Vilshofen eingemeindet wurde. Also muß man Hans Carossa auch mit Vilshofen identifiziert werden!

 

Wir weihen heute seine Gartenlaube ein, also nahe an seinem Sterbetag, dem 12.09. Diese Gartenlaube stand bis zum Jahr 2019 auf seinem einstigen Grundstück in Seestetten, auf der Lenzensölde. Diese Sölde war bis im 21. Jahrhundert im Familienbesitz, oft weitervererbt in der weiblichen Linie; so kam auch das Haus in Carossas Besitz: Seine Mutter war eine geborene Voggenreiter, also eine Angehörige eines traditionsreichen Geschlechts unserer Region, die den erbenlosen Eigentümer, ihren Onkel, beerbte. So kam die Familie Carossa aus Oberbayern wieder in unsere Gegend, wo sie schon früher jahrhundertelang geblüht hat. Denn das Zentrum der Familiengeschichte, deren Ursprung Carossa um 1800 in Savoyen lokalisierte, war tatsächlich am Inn, an der Rott und der Donau! Die dichterische Phantasie malt ein anziehendes Bild, wogegen der Historiker nach Quellen sucht, die die Fakten bringt. Allerdings male ich ein Bild, teilweise sehr anders als in der kanonisierten Literatur über Hans Carossa.

 

Schauen wir also kurz die Biographie von Hans Carossa an: 1878 wird er geboren als illegitimes Kind und zeitweise als Pflegekind weggegeben. Erst 1883 heirateten ihre Eltern, inzwischen eine Lehrerin und ein Arzt. Das bedeutet wohl ein Trauma für ein Kind des 19. Jahrhunderts, denn diese Zeit war sehr streng, unbarmherzig, gegen solche Kinder, die nicht in sicheren, v. a. nicht in sicheren rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen geboren wurden. 1886 nahm deshalb, um diese ihre Vergangenheit vergessen zu machen, sein Vater eine Praxis im niederbayerischen Pilsting an; mit seiner Familie zog er um. 1888 wird Hans Carossa auf das Gymnasium von Landshut geschickt; dort lebte er, bis auf die Ferien, die seine Familie ab 1892 auf der geerbten Lenzensölde verbrachte. Dort wurde Hans Carossa durch die Donaulandschaft inspiriert, denn schon als Gymnasiast war er Dichter. Als Medizinstudent in München wird er bekannt mit dem Literatenleben; dabei schloß er eine lebenslange Freundschaft mit dem Vilshofener Schriftsteller Heinrich Lautensack. Hans Carossa ist unruhig wegen seines Berufs, wegen der Sehnsüchte eines Mannes und seiner Berufung zur Dichtung – so suchte er an vielen Orten … 1906 wurde sein Sohn geboren, 1907 heirateten sie. Danach verlegte er die Praxis nach München; dort knüpfte er ein Netzwerk mit Dichtern, Künstlern und Frauen. Mit seinen ersten Roman, „Doktor Bürgers Ende“ (1913), wird sein Leben sein ewiges Thema, zeigt schon durch den Titel den Bruch in seinem Arztleben an. 1915 ging er als Arzt in den Krieg, nach dem Weltkrieg kam er wieder nach München. Sein Buch „Rumänisches Tagebuch“ (1924) wird ein Riesenerfolg. Danach löste er sich langsam vom Arztberuf und kehrte auch nach Seestetten zurück. Hier lebte er eine Beziehung mit Hedwig Kerber; 1930 war die Geburt seiner Tochter. In dieser Zeit baute Hans Carossa sein Gartenhaus, seine Laube, heute heißt es „Pavillon“ – die Wetterfahne mit den Initialen HC weist ihn als Bauherrn aus. In der gleichen Zeitschiene öffnete sich Carossa Italien und der Schweiz. 1928 erhält er einen ersten Literaturpreis; er wurde ein anerkannter Dichter und Schriftsteller, seine Werke wurden übersetzt. Im Dritten Reich verweigerte er sich der zerstörerischen Ideologie des ‚deutschen Herrenmenschen‘. Trotzdem wurde er 1941 Präsident des Europäischen Schriftstellervereinigung; aber auch dort verweigerte sein Mittun und setzte er sich für verfolgte Schriftsteller und für die Erhaltung der Stadt Passau (1945) ein. Im Jahr 1941 zog er nach Rittsteig um. Trotzdem wurde Hans Carossa am 15.12.1953 Ehrenbürger der Gemeinde Sandbach, denn er hielt die Beziehung nach Seestetten aufrecht. Die Seestettener der Generation meines verstorbenen Schwiegervaters, ebenfalls ein geborener Seestettener, schätzten Hans Carossa und wußten viel von ihm zu erzählen; die heutige Generation kennt ihn kaum mehr. Deshalb bin ich dankbar für den Einsatz der Stadt Vilshofen – dieser Platz im Gingko-Park erinnert uns an die Naturliebe von Hans Carossa. Das eingängigste Gedicht von Hans Carossa, „Der alte Brunnen“, erinnert uns an sein Seestettener Haus: „Das immer wache Geplätscher … vom alten Brunnen tönt. … [Der Wanderer] geht gleicht weiter, und es rauscht wie immer. O freue dich, du bleibst nicht einsam hier.“ Das wünsche ich genauso diesem Ort.